Konzept Mathematikunterricht

Seit dem Schuljahr 2022/23 arbeiten wir an der Kapitän-Koldewey-Grundschule Bücken mit dem Matherad. Warum dieser Schritt?

Kompetenzorientierter Mathematikunterricht

Ein Thema im Unterricht „gehabt“ zu haben, ist nicht gleichzusetzen mit einem „es verstanden“ zu haben. Deshalb sind die curricularen Vorgaben des Landes Niedersachsens schon seit vielen Jahren kompetenzorientiert aufgebaut.

Gerade im arithmetischen Bereich (rechnen, Zahlenverständnis) bauen jedoch die zu erwerbenden Kompetenzen stark aufeinander auf. Wer beispielsweise noch unsicher dabei ist, vorwärts und rückwärts zu zählen, kann nur schwer die Addition und Subtraktion verstehen. Wer noch nicht hinreichend erlernt hat, über den Zehner Additionen und Subtraktionen durchzuführen, kann nur mit Schwierigkeiten Multiplikationsaufgaben lösen. Wer das Stellenwertsystem noch nicht verstanden hat, kann Rechenvorteile kaum nutzen. Ab diesem Zeitpunkt können Schüler*innen kaum noch auf Anschauungsmaterial zurückgreifen, um Rechnungen durchzuführen oder auf Plausibilität zu überprüfen.

Individuelles Lernen

Während manche Kinder etwas länger brauchen, um Inhalte zu verstehen, gibt es andere, die auch ohne das Thema im Unterricht durchgenommen zu haben, den Lerninhalt komplett durchdrungen haben. Sowohl dauerhafte Langeweile als auch ständige Überforderung im Unterricht sind frustrierend und schwächen die Lernfreude. Individuelle Förderung ist uns deshalb im Mathematikunterricht besonders wichtig. Wir sind der festen Überzeugung, dass durch diesen Schritt der arithmetische Mathematikunterricht deutlich effektiver wird und die Anzahl der rechenstarken Kinder im Unterricht erhöht wird. Dies belegen auch Studien, die zum Thema durchgeführt wurden. (Vgl. Peter Jansen (2005): Basiskurs Mathematik - Aktionsforschung zur Prävention und Überwindung der Rechenschwäche (Dieck-Verlag) und Peter Jansen (2010): Der Aufbau mathematischer Verständnisgrundlagen -
Das Aktionsforschungsprojekt Matinko (Matinko-Verlag))

Um jedes einzelne Kind im Schulalltag zu fördern und zu fordern, muss der Unterricht geöffnet werden. Jedes Kind kann und soll in seinem eigenen Tempo lernen. Es erhält einen individuellen Arbeitsplan, der die eigenen Aufgabenformate vordefiniert und zur Dokumentation des Bearbeiteten dient. Folgende Haltungsveränderungen in der pädagogischen und fachlichen Arbeit sind dabei von Bedeutung:

Weg von               

  • Die Lehrkraft nimmt den Stoff durch
  • Frontale Einführungen zum Stundenthema durch die Lehrkraft, die nicht alle verstehen.
  • „Warum muss ich das noch machen? Ich kann es schon längst.“
  • Einzelkämpfertum
  • Ineffektiver Reparaturdienst in Förder-Kleingruppen
  • Arbeiten als Wettbewerbe, die die Kinder von sehr gut bis ungenügend einteilen.
  • Beurteilen und Misslingen dokumentieren

 Hin zu

  • Ich darf üben bis ich es kann. Die Lehrkraft begleitet mich dabei.
  • Gemeinsamer Einstieg, um Fragen von Kindern durch Kinder zu klären. Offene Fragestellungen oder mathematische Inhalte, an denen sich alle beteiligen können.
  • „Ich darf schon mit dem nächsten Thema beginnen, wenn ich soweit bin.“
  • Kinder helfen sich gegenseitig. Lehrkräfte können gezielt unterstützen, wo es nötig ist.
  • Kinder arbeiten an der Stelle, an der ihre Schwierigkeiten beginnen und beheben diese im Unterricht und unter anderem auch in Kleingruppen mit systematischer Förderung.
  • Arbeiten als Lernnachweise, die individuellen Kompetenzzuwachs dokumentieren
  • Feedback geben. Selbsteinschätzung und Gelingen fördern.

Einen Einblick zum Lernstand erhalten Kinder und Erziehungsberechtigten neben dem aktuellen Arbeitsplan zukünftig auch über eine Lernlandkarte, die einen Überblick über die zu erreichenden Kompetenzen innerhalb eines Jahrgangs geben wird. Diese sind derzeit in der Erarbeitung.

Gemeinsames Lernen im individualisierten Unterricht

Auch im individualisierten Unterricht gibt es Phasen des gemeinsamen Lernens.  Diese sind wichtig, um auch die Kommunikationsfähigkeiten und das soziale Lernen zu fördern. Jede Stunde beginnt gemeinsam mit einem Mathematik-Warm-up, an dem sich möglichst alle Kinder beteiligen können. An dieser Stelle wird beispielsweise die „Zahl des Tages“ auf unterschiedlichen Niveaustufen untersucht oder ein Kopfrechenspiel gespielt. Im gemeinsamen Einstieg haben die Kinder die Möglichkeit, Verständnisfragen zu klären oder Lernpartner für Partneraufgaben aus dem Arbeitsplan zu wählen. In jedem Arbeitsplan sind Partnerarbeiten und mathematische Spiele eingebaut. Die Kinder dürfen sich im Unterricht gegenseitig unterstützen und voneinander lernen. Jede Stunde endet mit einem gemeinsamen Abschluss. An dieser Stelle wird beispielsweise die Mitarbeit reflektiert, einzelne Aufgaben können präsentiert werden oder es werden Vereinbarungen für die Weiterarbeit getroffen.  Themen außerhalb des arithmetischen Bereichs werden größtenteils projektartig im Klassenverband bearbeitet.

Fordern im Mathematikunterricht

Neben der Möglichkeit der schnelleren Bearbeitung von arithmetischen Unterrichtsinhalten gibt es weitere Möglichkeiten der Forderung besonders begabter Kinder im mathematischen Bereich.

Die Kinder haben die Möglichkeit, ihre mathematische Kommunikationsfähigkeit zu schulen, indem sie neu erlernte Inhalte anderen Kindern präsentieren oder ihnen bei der Bearbeitung behilflich sind.

Es besteht die Möglichkeit, die gewonnene Zeit gezielt für mathematische Lernbereiche zu nutzen, an denen das Kind noch üben muss (z.B. Umgang mit dem Lineal, Sachaufgaben)

Im Unterricht werden herausfordernde Aufgaben bereitgestellt. Hierzu gehören vor allem offene Aufgabenstellungen, die z.B. das logische Denken oder die Problemlösefähigkeit fördern.

Zeitweise können diese Kinder auch den Unterricht einer anderen Klasse besuchen. Dort haben sie die Möglichkeit, mit anderen mathematische Spiele zu spielen, für die sie in ihrer Stammgruppe noch keinen Partner haben.

Im Ganztagsangebot gibt es regelmäßig AGs, die mathematisch-naturwissenschaftlich interessierte Kinder fördern (z.B. Zauberwürfel-AG, Experimentier-AG, NatWiGs in Kooperation mit dem Johann-Beckmann Gymnasium für Klasse 4)

Die Schule nimmt regelmäßig an mathematischen Wettbewerben (z.B. Känguru der Mathematik) teil.

 

Kinder der 4. Klasse erklären einzelnen Kindern aus Jahrgang 3, wie sie halbschriftlich multiplizieren können. Die Drittklässler*innen waren begeistert. Eigentlich käme das Thema erst viel später dran, aber der umstrukturierte Mathematikunterricht gibt interessierten Kindern den Raum, schneller und mehr zu lernen.

Fördern im Mathematikunterricht

Allein die Tatsache, dass Kinder in ihrem individuellen Tempo an arithmetischen Teilbereichen arbeiten können, senkt laut Studien bereits die Anzahl der rechenschwachen Kinder. Dies liegt daran, dass sich die Kinder die Kompetenzen nachhaltig aneignen können und nicht nur oberflächlich behandelt haben. Sobald ein Großteil der Klasse in der Lage ist, selbstständig zu arbeiten, können sich Lehrkräfte für Kinder mit Lernschwierigkeiten mehr Zeit nehmen. Zusätzlich können (sofern es die zugeteilten Ressourcen erlauben) Förderschullehrkräfte, pädagogische Mitarbeiter*innen, Bundesfreiwilligendienstleistende oder Praktikant*innen im Unterricht unterstützen. Auch „Blitzrechen-Trainer*innen“ (z.B. Eltern, Großeltern oder andere Freiwillige) sind als zusätzliche Ressource in allen Klassen herzlich willkommen.

Bereits im Jahr vor der Einschulung nehmen alle Kinder am Brückenjahr teil. Dort werden unter anderem auch mathematische Inhalte angeboten, die der Frühförderung dienen. In enger Zusammenarbeit mit der Förderschullehrkraft arbeitet unsere Schule hier vor allem präventiv und erhält durch Beobachtung einen guten Überblick zur Lernausgangslage. Für einzelne Kinder besteht bereits während des Brückenjahres die Möglichkeit, an kleinen Fördersequenzen in der Kleingruppe teilzunehmen.

Bei besonders großen Schwierigkeiten können „Hilfen im Sinne eines Nachteilsausgleichs“ gewährt werden. Diese könnten z.B. die Nutzung von Anschauungsmittel während einer Klassenarbeit erlauben oder mehr Zeit zur Bearbeitung einer Klassenarbeit möglich machen. Auch das Aussetzen der Benotung von Teilbereichen ist möglich. In diesem Falle beraten wir Eltern hinsichtlich der Abklärung einer Dyskalkulie bzw. der Nutzung außerschulischer Nachhilfe/Lerntherapie-Angebote.

All dies gelingt nur in der engen und konstruktiven Zusammenarbeit mit den Eltern und Erziehungsberechtigten.

(Stand Juni 2023, abgestimmt in der Gesamtkonferenz)